Die Grundlagen zur Bewertung der Arztpraxis bei Scheidung.

Weshalb wird die Arztpraxis bewertet?

Die Bewertung einer Arztpraxis bei Scheidung erfolgt immer nur im Zusammenhang mit dem Zugewinnausgleich unter den Eheleuten. Die Wertermittlung wird für die Feststellung benötigt, ob während der Ehe ein Vermögenszuwachs erfolgte. Dabei werden die Vermögen beider Ehegatten am Tag der Heirat und am Tag der Zustellung des Scheidungsantrages verglichen. Ist ein Ehegatte Arzt mit einer eigenen Praxis oder an einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis beteiligt, stellt sich die Frage nach dem Wert dieses Vermögensgegenstandes. Das kann auch dann der Fall sein, wenn beide Eheleute Ärzte mit jeweils eigenen Praxen sind. Die Durchführung des Zugewinnausgleichs bei Scheidung der Ehe eines Arztes oder Arztehepaares unterscheidet sich hinsichtlich des Ablaufs nicht von anderen Scheidungen. Der Tag, an dem der Scheidungsantrag des einen Ehegatten dem anderen durch das Gericht zugestellt wird, ist der Stichtag für die Berechnung des Endvermögens beider Eheleute. Der Tag der Heirat ist der Stichtag für die Berechnung des Anfangsvermögens. Der Wert des gesamten Vermögens jedes Ehegatten ist für diese beiden Zeitpunkte zu ermitteln. Ergibt sich bei Gegenüberstellung der beiden Werte für einen oder beide Ehegatten ein Vermögenszuwachs, wurde ein Zugewinn erzielt. Ist der Zugewinn eines Ehegatten höher als der des anderen, steht letzterem die Hälfte der Differenz als Zugewinnausgleich zu.

Wie wird der Praxiswert bestimmt?

Es gibt vier Möglichkeiten, den Wert der Arztpraxis bestimmen zu lassen, nämlich durch Einholung

  • eines Privatgutachtens durch einen Ehegatten,
    eines Gutachtens nach Schiedsgutachtenvertrag durch beide Ehegatten,
    eines Gerichtsgutachtens in einem selbständigen Beweisverfahren vor der Scheidung,
    eines Gerichtsgutachtens im Zugewinnausgleichsverfahren.

Steht fest, dass die Arztpraxis oder der Praxisanteil zu bewerten ist, stellt sich die Frage nach einer sinnvollen Umsetzung. Dabei sollte der gesunde Menschenverstand die Oberhand behalten.

Die erste Möglichkeit: Gibt ein Ehegatte einseitig ein Gutachten zum Praxiswert in Auftrag, handelt es sich um ein sogenanntes Privatgutachten. Der andere Ehegatte muss den so ermittelten Wert nicht akzeptieren. Selbst wenn ein Ehegatte einer solchen Wertermittlung zunächst zustimmt, ist er nach Erstattung des Gutachtens an diese Zusage nicht gebunden. In gerichtlichen Verfahren kann so ein Gutachten dann auch nur mit Zustimmung beider Parteien als Sachverständigenbeweis verwendet werden. Im Streitfall führt dieses Vorgehen nicht zu einer gerichtsfesten Feststellung des Praxiswerts. Die Kosten für so ein Privatgutachten werden regelmäßig unnütz aufgewendet. Zudem geht Zeit verloren.

Die zweite Möglichkeit: Sie besteht im Abschluss eines Schiedsgutachtenvertrags durch die Eheleute mit nachfolgender Beauftragung eines Gutachters. Inhalt eines Schiedsgutachtenvertrags kann es sein, für ein Rechtsverhältnis erhebliche Tatsachen durch einen Sachverständigen ermitteln und bindend feststellen zu lassen. Bis zur Rechtskraft der Ehescheidung empfiehlt es sich, diese Schiedsgutachtenabrede notariell beurkunden zu lassen, da es sich um eine Vereinbarung handelt, die sich auf Bestand, Höhe, Fälligkeit und Durchsetzbarkeit des Zugewinnausgleichs bezieht und das Gesetz dafür die notarielle Beurkundung oder die gerichtliche Protokollierung vorschreibt. Die Eheleute geben das Gutachten danach in Auftrag und tragen die Kosten dafür jeweils hälftig. Ein Schiedsgutachten ist nur bei offenbarer Unrichtigkeit unverbindlich. Dabei führt aber nicht jeder Fehler zur offenbaren Unrichtigkeit. Dieser muss sich vielmehr einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter - wenn auch möglicherweise erst nach eingehender Prüfung - aufdrängen; an das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit sind strenge Anforderungen zu stellen. Dabei ist für die Beurteilung dieser Frage der Sachverhalt zugrunde zu legen, der dem Gutachter bei der Erstellung des Gutachtens erkennbar war. Auch bei einem Schiedsgutachtenvertrag kann nach Erstattung des Gutachtens Streit über das Ergebnis der Bewertung entstehen. Die Gerichte neigen in diesen Fällen zur Einholung eines weiteren Gutachtens.

PRAXISTIPP: Die Beteiligten sollten hier vereinbaren, dass der Schiedsgutachter das Gutachten übersenden soll, die Beteiligten dann die Gelegenheit erhalten, dazu binnen einer bestimmten Frist Stellung zu nehmen und erst dann das abschließende Schiedsgutachten erstattet wird. Gleichzeitig sollte im Vertrag auf die weitergehende Anfechtung des Schiedsgutachtens gegenseitig verzichtet werden.

Die dritte Möglichkeit: Es kann bereits vor Beantragung der Scheidung ein schriftliches Gutachten bei Gericht zum Wert der Praxis beantragt werden, wenn daran ein rechtliches Interesse besteht. Dieses rechtliche Interesse wird in der Regel gegeben sein, wenn nach außergerichtlich erteilter Auskunft über das Anfangs- und Endvermögen Streit über den Praxiswert besteht, weil das dann gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten objektiv geeignet erscheint, eine einvernehmliche Streitbereinigung herbeizuführen. Der Hauptsacheprozess muss nicht mit Sicherheit zu erwarten oder angedroht sein; schon die aus der Rechtslage herzuleitende Möglichkeit genügt. Auf die Möglichkeit, ein Privatgutachten einzuholen, darf der Antragsteller nicht verwiesen werden. Auf die Erheblichkeit der Beweisfragen oder die Erfolgsaussichten in einem späteren Prozess kommt es nicht an. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören zu den Gerichtskosten des Zugewinnverfahrens bei Scheidung, wenn dieses durch Beschluss abgeschlossen wird. Wird der Beweisantrag zurückgewiesen, kann das Gericht über die Kosten entscheiden. Keine Kostenentscheidung ist zu treffen, wenn nach Beendigung des Beweisverfahrens kein Hauptsacheverfahren eingeleitet wird. In diesem Fall ist der
Antragsteller Kostenschuldner.

Die vierte Möglichkeit stellt keine Besonderheit dar. Sie liegt darin, durch das Familiengericht ein Sachverständigengutachten im Zugewinnausgleichsverfahren einholen zu lassen. Die Kosten dafür tragen die Eheleute jeweils zur Hälfte, wenn das Zugewinnausgleichsverfahren mit der Scheidung verbunden ist. Wird das Verfahren isoliert geführt, werden die Kosten nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen verteilt.